Regelaltersgrenze in der Rentenversicherung

- Befristetes Hinausschieben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist zulässig: Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.12.2018 (7 AZR 70/17)

14.01.2019

1. Befristete Arbeitsverhältnisse allgemein können für Arbeitgeber von Vorteil sein, weil ein solches befristetes Arbeitsverhältnis „automatisch“ endet, ohne dass eine Kündigung ausgesprochen werden muss, so dass es auch keinen Streit um eine Kündigung geben kann.

Das kann einerseits die Bereitschaft von Arbeitgebern zum Abschluss von Arbeitsverträgen erhöhen, birgt andererseits aber auch eine Missbrauchsgefahr: Wenn Arbeitsverhältnisse immer wieder nur befristet abgeschlossen werden, gewinnen Arbeitnehmer keine existentielle Sicherheit. Der Gesetzgeber hat daher strenge Regelungen darüber eingeführt, ob, unter welchen Bedingungen, wie häufig und für welche Dauer insgesamt Arbeitsverträge befristet abgeschlossen werden dürfen (wobei im Hochschulbereich Besonderheiten gelten).

2. Eine Besonderheit besteht hinsichtlich der Erreichung des Rentenalters: Zulässig ist es, in Arbeits- oder Tarifverträgen zu vereinbaren, dass ein Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze in der Rentenversicherung endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Ergänzend dazu sieht § 41 Satz 3 SGB VI vor, dass – falls die Arbeitsvertragsparteien eine solche Beendigungsvereinbarung getroffen haben – der Beendigungszeitpunkt durch eine noch während des Arbeitsverhältnisses geschlossene Vereinbarung hinausgeschoben werden darf, gegebenenfalls auch mehrfach. (Rechtssystematisch ist die Vorschrift im Sozialrecht und nicht im Arbeitsrecht verankert; eingeführt wurde sie mit Wirkung vom 01.07.2014.)

Durch diese Vorschrift entsteht also faktisch die Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse mit einer Befristung immer wieder neu – immer wieder befristet – zu verlängern. Nach den allgemein für befristete Arbeitsverträge geltenden Normen könnte das problematisch sein.

Der Europäische Gerichtshof hat dazu bereits in einer Entscheidung vom 28.02.2018 bestätigt, dass die Regelung in § 41 Satz 3 SGB VI mit dem Recht der europäischen Union vereinbar ist.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in dem jetzt in Streit stehenden Fall zu entscheiden, ob die Regelung auch mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Das hat das BAG bejaht. Das ergibt sich aus seiner Pressemitteilung vom 19.12.2018 (Nr. 69/2018).

3. Über folgenden Fall hatte das BAG zu entscheiden.

a) Das Arbeitsverhältnis eines Lehrers hätte nach dem anzuwendenden Tarifvertag wegen Erreichens der Regelaltersgrenze am 31.01.2015 geendet. 10 Tage vorher vereinbarte er jedoch mit dem Arbeitgeber, dass das Arbeitsverhältnis erst ein halbes Jahr später, am 31.07.2015, ende. Später einigten sich die Parteien dann noch auf eine Erhöhung der Wochenstundenzahl.

Der Lehrer hielt dann die Befristung bis zum 31.07.2015 für unwirksam und klagte auf die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der vereinbarten Befristung am 31.07.2015 geendet habe.

b) Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben seine Klage abgewiesen.

Auch die Revision beim BAG hatte keinen Erfolg. Das BAG sah die Befristung als nach § 41 Satz 3 SGB VI gerechtfertigt an. Diese Vorschrift genüge den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Somit war das Arbeitsverhältnis am 31.07.2015 beendet.

Eine (weitere) Überlegung, die bei sonstigen befristeten Verlängerungen von Arbeitsverhältnissen eine solche Befristung zu Fall bringen kann, nutzte dem Kläger nichts: Es ist problematisch, wenn die Vereinbarung über eine Verlängerung einer Befristung gleichzeitig noch andere Modalitäten eines Arbeitsverhältnisses regelt.

Vorliegend war es aber so, dass die Vereinbarung des Hinausschiebens der Beendigung und die Vereinbarung der erhöhten Arbeitszeit zeitlich auseinanderfielen.

Deshalb ließ das BAG laut Pressemitteilung ungeklärt, „ob eine Hinausschiebensvereinbarung voraussetzt, dass nur der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses unter Beibehaltung der übrigen Vertragsbedingungen geändert wird“.

4. Arbeitgeber werden hinsichtlich dieser Frage bei entsprechenden Vereinbarungen also bis zu einer endgültigen Entscheidung (wenn eine solche Rechtsfrage dem BAG in einem anderen Prozess angetragen wird) Vorsicht walten lassen müssen.

Arbeitnehmer können unter Umständen aus der Verknüpfung verschiedener Regelungen (Hinausschieben der Beendigung, Vereinbarung hinsichtlich weiterer Arbeitsbedingungen) einen Vorteil im Sinn einer Unwirksamkeit einer Befristung erreichen.

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