Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in der Betriebsprüfung

- keine Säumniszuschläge bei nur fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungspflicht:

BSG Urteil vom 12.12.2018 (B 12 R 15/18 R)

15.01.2019

Säumniszuschläge knüpfen an ein vorwerfbares Verhalten an und setzen vorsätzliches Handeln voraus, mindestens „bedingten Vorsatz“.

1. Die Klägerin des Verfahrens ist eine GmbH, die ein Reisebusunternehmen mit Tourneebussen betreibt. Sie beschäftigte sowohl eigene „Tourbegleiter“, für die auch Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, als auch weitere Fahrer, die sie als selbstständig behandelte und nicht zur Sozialversicherung anmeldete.

Die Deutsche Rentenversicherung Westfalen beurteilte das in einer Betriebsprüfung anders und nahm eine Einstufung als abhängig beschäftigt vor.

Im vorliegenden Rechtsstreit ging es noch um einen der Tourbegleiter. Für ihn forderte die Rentenversicherung nicht nur Sozialversicherungsbeiträge von rund 15.300 € nach, sondern auch zusätzlich Säumniszuschläge von rund 4.400 €. Die Klägerin habe nämlich fahrlässig gehandelt, weil sie für den betroffenen Fahrer kein Verfahren zur Feststellung der Sozialversicherungspflicht eingeleitet habe.

Nach § 24 SGB IV ist für Beiträge, die ein Zahlungspflichtiger nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen, auf 50 € nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag nicht zu erheben, „soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.“

Das Landessozialgericht bestätigte zwar die Nachforderung von Beiträgen, hob aber die Bescheide der Rentenversicherung hinsichtlich der Säumniszuschläge auf, weil eine vorsätzliche Unkenntnis von der Beitragszahlungspflicht nicht festzustellen sei.

Dagegen wandte sich die Rentenversicherung mit der Revision.

2. Laut Terminbericht des Bundessozialgerichts (Nr. 53/18) sah dieses zwar die objektiven Voraussetzungen für die Erhebung der Säumniszuschläge als erfüllt an. Die Tatsachenfeststellungen des LSG genügten ihm aber nicht, um bereits endgültig entscheiden zu können, ob die Klägerin unverschuldet keine Kenntnis von der Beitragszahlungspflicht hatte.

Der Auffassung der Rentenversicherung, Fahrlässigkeit genüge hier, erteilte das BSG aber bereits eine eindeutige Absage. Der Zweck der Säumniszuschläge sei es, „Druck auf die Zahlungspflichtigen mit dem Ziel einer rechtzeitigen Beitragszahlung auszuüben und verspätete Zahlungen zu sanktionieren“. Das könne aber „unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur erreicht werden, wenn der betroffene Arbeitgeber seine Zahlungspflicht zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt“ (sog. „bedingter Vorsatz“).

Dennoch bleibt für Säumniszuschläge ein weiter Anwendungsbereich: Das BSG lässt es nicht genügen, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge kein Verschulden vorlag. Sondern es will auch darauf abstellen, ob der Zahlungspflichtige zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von der Beitragspflicht erlangte.

Auch stellte das BSG nicht nur auf den Geschäftsführer der GmbH und sein Wissen ab, sondern gibt dem LSG auf, im fortzusetzenden Verfahren zu ermitteln, „ob noch weitere Personen für die Beurteilung der Zahlungspflicht mitverantwortlich waren und ob und wann diese die Zahlungspflicht der Klägerin kannten oder zumindest für möglich hielten und billigend in Kauf nahmen“.

3. Säumniszuschläge stellen nach Betriebsprüfungen häufig einen erheblichen Teil der finanziellen Belastung für einen betroffenen Arbeitgeber aus einem Nachforderungsbescheid dar. Hier kann sich das Argumentieren lohnen, auch wenn die Prüfung ergibt, dass an der Nachforderung der Sozialversicherungsbeiträge selbst nichts zu ändern ist.

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