30.08.2021

BSG (B 12 R 8/19 R): GmbH in der Betriebsprüfung – Sozialversicherungspflicht eines mitarbeitenden Gesellschafters

1. In den letzten Jahren stand die Frage, ob GmbH-Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig sind, immer wieder im Fokus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG).

Das BSG hat zunehmend eine das Selbstverständnis von Gesellschaftern als Unternehmer ignorierende Sichtweise entwickelt. Inzwischen liegen Entscheidungen über verschiedenste Konstellationen und Vertragsgestaltungen vor.

2. In der jüngsten Entscheidung des BSG vom 29.06.2021 (B 12 R 8/19 R) geht es um einen GmbH-Gesellschafter, der, ohne Geschäftsführer zu sein, in der GmbH mitarbeitet. Im Rahmen der Betriebsprüfung forderte die Rentenversicherung rund 58.000 Euro Beiträge für vier Jahre nach, weil sie den Gesellschafter als versicherungspflichtig beschäftigt einstuft.

a)  Vom Stammkapital der GmbH hielten die beiden Gesellschafter je 50 %. Ein Gesellschafter wurde zum Geschäftsführer bestellt, der andere (um den der Prozess ging) erhielt eine „Generalhandlungsvollmacht“, über die eine notariell beglaubigte Vollmachtsurkunde erstellt wurde.

Acht Monate später kamen die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung überein, dass er eine entgeltliche Tätigkeit für die GmbH übernehmen solle, worüber ein „Anstellungsvertrag für kaufmännische Angestellte“ geschlossen wurde. Ferner wurde eine im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Geschäftsordnung beschlossen, zu der es im vorausgegangenen Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen hieß, die Geschäftsordnung sei „in der Vorstellung, hierdurch eine Weisungsfreiheit des Beigeladenen zu 1) gegenüber dem Geschäftsführer sicherzustellen“ verabschiedet worden.

Nach dieser Geschäftsordnung bedurfte die Geschäftsführung der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung unter anderem für den „Abschluss, die Änderung und die Beendigung von Anstellungsverträgen mit Gesellschaftern, sowie die Wahrnehmung hieraus resultierender Rechte und Pflichten, insbesondere auch etwaiger Weisungsrechte aus Anstellungs- oder Dienstverträgen, insoweit ein Geschäftsführer hier ausführend tätig wird“.

Darüber hinaus gab es im Gesellschaftsvertrag und in der Geschäftsordnung ein umfangreiches weiteres Klauselwerk.

Nach knapp vier Jahren beschloss die Gesellschafterversammlung die Bestellung auch dieses Gesellschafters zum Geschäftsführer, und es wurde ein „Geschäftsführervertrag“ geschlossen. 

b) In der darauffolgenden turnusgemäßen Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV stellte die Rentenversicherung (hier kurz zusammengefasst:) die Versicherungspflicht des Gesellschafters im Zeitraum bis zu seiner Bestellung als Geschäftsführer und die Beitragsschuld der GmbH zu sämtlichen Zweigen der Sozialversicherung wegen der Beschäftigung fest.

Der hiergegen gerichteten Klage der GmbH hatte das Sozialgericht Köln noch stattgegeben.

Bereits das LSG Nordrhein-Westfalen aber bestätigte im Urteil vom 05.12.2018 (L 8 BA 95/18) die Auffassung der Rentenversicherung.

c) Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat die Annahme der Sozialversicherungspflicht des Gesellschafters trotz seines 50prozentigen Anteils an der GmbH bejaht. Gesellschafter, die Geschäftsführer sind, werden von der Rechtsprechung anders behandelt als Gesellschafter, die in der GmbH mitarbeiten, ohne Geschäftsführer zu sein.

Eine ausführliche Entscheidung des BSG ist bisher, soweit ersichtlich, noch nicht veröffentlicht. Aus dem Terminbericht des 12. Senats lässt sich entnehmen, dass die Gestaltung von Gesellschaftsvertrag, Geschäftsordnung und Generalhandlungsvollmacht dem BSG nicht ausreichte, um sicherzustellen, dass der betroffene Gesellschafter Weisungen an sich hätte verhindern können. Im Zentrum stehe hier (allein?) der Gesellschaftsvertrag. Die Geschäftsordnung habe diesen schon mangels notarieller Form nicht ändern können. Die immerhin notariell beurkundete Generalhandlungsvollmacht habe nur die Vertretung der GmbH nach außen betroffen, aber keine besondere interne „Rechtsmacht“ eingeräumt und sei zudem widerruflich gewesen.

3. Auch dieser Fall zeigt: Bei Fehleinschätzungen der GmbH zum Status ihrer Gesellschafter und Geschäftsführer kann es in einer sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung durch die Rentenversicherung zu erheblichen Beitragsnachforderungen und Säumniszuschlägen kommen. Deshalb ist es heutzutage unerlässlich, bei der Gestaltung von Gesellschaftsverträgen und Verträgen mit Geschäftsführern auch eine sozialversicherungsrechtliche Sichtweise einzubeziehen.

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