Wegeunfall - Arbeitsunfall - kein Versicherungsschutz bei mehr als geringfügiger Unterbrechung (Briefeinwurf):

BSG Urteil vom 07.05.2019 (B 2 U 31/17 R)

14.05.2019

1. In der gesetzlichen Unfallversicherung sind nicht nur eigentliche Arbeitsunfälle versichert, sondern auch der Weg zur Arbeit und zurück. Es wirft aber immer wieder Fragen auf, ob und inwieweit der Versicherungsschutz fortbesteht, wenn es unterwegs zu Abweichungen oder Unterbrechungen kommt.

2. Die Klägerin im vorliegenden Fall fuhr von der Arbeit mit dem Auto nach Hause und hielt auf diesem Weg an der rechten Fahrbahnseite an, um einen Privatbrief in den Briefkasten zu werfen. Beim Aussteigen stürzte sie, während sie sich mit der rechten Hand noch am Lenkrad festhielt. Das Fahrzeug rollte dabei über ihren linken Fuß; die Fußwurzel wurde verletzt.

Die Unfallversicherung lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Das Sozialgericht Chemnitz verurteilte sie dagegen, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen, weil die Unterbrechung des versicherten Wegs zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig gewesen sei.

Anders das Landessozialgericht Chemnitz: es wies die Klage ab.

Darüber hatte nun das Bundessozialgericht zu entscheiden.

3. Das BSG bestätigt das Ergebnis des LSG: Ein Arbeitsunfall wird nicht anerkannt.

Wie sich aus dem Terminsbericht des BSG vom 08.05.2019 entnehmen lässt (das Urteil selbst ist noch nicht veröffentlicht), soll der Briefeinwurf „als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht mehr unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung“ gestanden haben. Zwar schaden „geringfügige“ Unterbrechungen nicht. Eine Unterbrechung könne aber nur dann als geringfügig bezeichnet werden, „wenn die Verrichtung bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges in seiner Gesamtheit anzusehen“ sei. Die eingeschobene Verrichtung muss ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werden können.

Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt gewesen, weil der beabsichtigte Briefeinwurf „die konkrete, versicherte Verrichtung des Autofahrens unterbrochen“ habe. Die Klägerin habe „ihren Pkw anhalten, aus ihm aussteigen und zum Briefkasten gehen (müssen), um den Brief einwerfen zu können“. Das BSG sieht es so, dass diese Unterbrechung des Weges auch bereits begonnen habe, und hält sogar für erwägenswert, ob die Unterbrechung des Weges möglicherweise „schon mit dem Abbremsen des Kfz“ begonnen haben könnte, lässt die Frage dann aber dahinstehen. Denn die Klägerin habe ja zum Unfallzeitpunkt bereits mit dem Ausstieg aus dem Fahrzeug begonnen „und damit nach außen erkennbar ihre auf den privaten Briefeinwurf gerichtete Handlungstendenz in ein objektives Handeln umgesetzt“.

Man kann hieran sehen, wie relativ künstlich ein einheitlicher Lebenssachverhalt so aufgespalten werden muss, dass zwischen einem versicherten und einem nicht versicherten Teil unterschieden werden kann.

Immerhin lässt das BSG erkennen, dass mit der Fortführung des ursprünglich geplanten Weges auch wieder eine versicherte Tätigkeit vorgelegen hätte.

Zum Profil von Ursula Mittelmann

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