22.02.2023

Sturz auf dem Weg zum Kaffeeautomaten im Sozialraum ist versicherter Arbeitsunfall: Hessisches LSG Urt. v. 07.02.2023

Unfälle sind nur dann Arbeitsunfälle, wenn sie „infolge“ einer versicherten Tätigkeit geschehen. Auch der Weg von und zur Arbeit ist versichert. Oftmals lässt sich nicht ganz einfach entscheiden, ob ein ausreichender Zusammenhang mit der (eigentlichen) Arbeit besteht, bei Wegeunfällen etwa, wenn die Versicherten Umwege machen oder den Weg unterbrechen.

Auch der während einer Arbeitspause auf dem Weg zum Essen oder zum Einkauf von Lebensmitteln für die Pause erlittene Unfall wird noch als Arbeitsunfall angesehen. Denn zum einen stärken sich Arbeitnehmer:innen für die weitere Arbeit. Und zum anderen sind sie durch die Verpflichtung zur Arbeit gezwungen, sich örtlich nahe der Arbeit zu verköstigen.

Die Nahrungsaufnahme selbst aber gilt (jedenfalls in der Regel) als ausschließlich „privatwirtschaftlich“.

Zur Abgrenzung hat die Rechtsprechung u. a. darauf abgestellt, ob die Außentür des Gebäudes durchschritten ist, in der sich die Kantine oder Gaststätte oder das Lebensmittelgeschäft befinden.

Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat nun über einen Fall entschieden, bei dem eine Verwaltungsangestellte im Finanzamt auf dem Weg zu einem im Sozialraum aufgestellten Getränkeautomaten ausrutschte und einen Lendenwirbelkörperbruch erlitt. Die Unfallkasse hatte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls – mit der Begründung, die Kantinentür sei durchschritten gewesen - abgelehnt. Das sah das LSG anders.

Im vorliegenden Fall habe die Klägerin das Betriebsgebäude gar nicht verlassen (Stichwort „Außentür“). Auch sei der Sozialraum nicht als Kantine genutzt worden. Und der Sozialraum gehöre eindeutig in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers. Das Zurücklegen des Wegs, um sich einen Kaffee zu holen, habe somit noch „in innerem Zusammenhang“ mit der versicherten Tätigkeit gestanden. Der Unfallversicherungsschutz ende nicht an der Tür zum Sozialraum. Die Unfallkasse wurde dazu verurteilt, einen Arbeitsunfall anzuerkennen.

Das LSG hat aber die Revision zugelassen, was in Fällen „grundsätzlicher Bedeutung“ möglich ist, so dass das Bundessozialgericht (BSG) über die Bewertung als Arbeitsunfall entscheiden kann.

Beim BSG wird das Verfahren unter dem Aktenzeichen B 2 U 11/23 R geführt.

Plagemann Rechtsanwälte


Ansprechpartner:innen: 

Prof. Dr. Hermann Plagemann, Martin Schafhausen, Dr. Jana Schäfer-Kuczynski

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