17.03.2023

Sozialversicherungspflicht eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers allein wegen versehentlich nicht angepasster Gesellschafterliste: BSG Urt. v. 13.03.2023

Das Bundessozialgericht (BSG) berichtet über ein Urteil seines 12. Senats. Er hatte darüber zu entscheiden, ob die Deutsche Rentenversicherung Bund einen Gesellschafter und zugleich Geschäftsführer einer GmbH in der Betriebsprüfung zu Recht als sozialversicherungspflichtig eingestuft hatte. Die klagende GmbH sah ihn als selbständig an. Der (ehemalige) Gesellschafter-Geschäftsführer wurde (neben Kranken- und Pflegekasse und Bundesagentur für Arbeit) zum Prozess beigeladen.

1. Gegründet wurde die Gesellschaft von dem Beigeladenen mit einer Stammeinlage von 24.500 DM, seinem Sohn mit 25.000 DM und einer dritten Person mit 500 DM am 02.10.1997. Alle drei Personen sind auch in der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste aufgeführt. Der Beigeladene und sein Sohn wurden zu einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt.

Schon am Gründungstag stand fest, dass der dritte Gesellschafter nicht dauerhaft in der Gesellschaft verbleiben sollte: Am 02.10.1997 verkaufte er mit notarieller Urkunde seinen (künftigen) Anteil von 500 DM an den Beigeladenen, wobei diese Abtretung mit der Eintragung der GmbH ins Handelsregister wirksam werden sollte. Eine neue Gesellschafterliste wurde nach der Eintragung vom 29.01.1998 allerdings nicht beim Handelsregister hinterlegt. Wie in einer notariellen Urkunde von Beigeladenem und Sohn im Jahr 2018 festgehalten, ordneten sie versehentlich den Geschäftsanteil von 500 DM dem Sohn zu, so auch noch bei der Umstellung des Stammkapitals von DM in Euro und bei weiteren Gelegenheiten. Gesellschafterlisten von 2014 und 2015 nannten unterschiedlich hohe Anteile von Beigeladenem und Sohn. 

Die Rentenversicherung ging in der Betriebsprüfung 2017 daher von einer Kapitalbeteiligung des Beigeladenen von nur 49 % aus und sah deshalb ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Nur bei einem Anteil von (mindestens) 50 % hätte sie ihn als selbständig gelten lassen. Es erging eine Beitragsnachforderung für den geprüften Zeitraum ab 2013 bis zum Ende der Geschäftsführertätigkeit am 31.08.2014 in Höhe von knapp 19.000 €.

2. Das Sozialgericht Trier rechnete dagegen dem Beigeladenen auch den Anteil von 500 DM und damit eine 50%ige Kapitalbeteiligung zu und gab der Klage statt. Anders wiederum das LSG Reinland-Pfalz, das die Klage abgewiesen hat.

3. Dem folgt nun auch das BSG im Revisionsverfahren.

Es richtet sich ausschließlich nach der nicht geänderten Gründungsgesellschafterliste von 1997. Danach habe der Beigeladene „nicht über die eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht in der Gesellschaft verfügt“.

Das Gericht stützt sich dabei auf die erst ab 01.11.2008 geltende Fassung von § 16 Abs. 1 GmbHG. Danach kommt der Gesellschafterliste besondere Bedeutung zu. Laut BSG sollte durch diese Neuregelung „der interessierte Rechtsverkehr vor einer fehlenden Überprüfbarkeit der Gesellschafterstellung und der daraus folgenden Rechtsunsicherheit geschützt werden“. Dieser Zweck spreche „jedenfalls sozialversicherungsrechtlich“ für die Anwendung der Norm auch auf vor ihrem Inkrafttreten ins Handelsregister aufgenommene Gesellschafterlisten, hier also auf die Gründungs-Gesellschafterliste aus dem Jahr 1997. An diesem Vorgehen sieht sich das BSG auch weder aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes noch aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gehindert (Stichwort: „Rückwirkungsverbot“), zumal die klagende GmbH und der Beigeladene entgegen ihrer Verpflichtung nicht für die Aktualisierung der Gesellschafterliste gesorgt hätten.

4. Das BSG hat in den letzten Jahren eine Rechtsprechung etabliert, nach der in GmbHs Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem Anteil von unter 50 % kaum noch sozialversicherungsrechtlich als selbständig eingestuft werden können.

Der vorliegende Fall ist dennoch bemerkenswert, da die Gesellschafter sich nicht etwa nur subjektiv für selbständig hielten, sondern da die Anteilserhöhung des Beigeladenen auf 50 % notariell beurkundet worden war.

Im Terminbericht des BSG heißt es: „Die gesellschaftsrechtliche Bewertung seiner Stellung wird durch das Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Klarheit beitragsrechtlich relevanter Sachverhalte überlagert.“ Diesem Bedürfnis diene die zum 01.11.2008 eingeführte „formelle Legitimationswirkung der Gesellschafterliste“. Es fragt sich aber doch, ob die Deutsche Rentenversicherung in diesem Sinn zum „interessierten Rechtsverkehr“ gehört, den das Gesetz durch Formalisierung und Vereinfachung schützen will. Man könnte auch annehmen, dass die Deutsche Rentenversicherung eine umfassende Ermittlungspflicht hat, um die Tätigkeit Selbständiger von der abhängig Beschäftigter abzugrenzen, um letztere zu schützen. Schließlich ermittelt sie (bisher) auch etwa den Inhalt von Gesellschafts- und Geschäftsführerverträgen.

Auch dieser Einzelfall zeigt, dass vermeintlich rein gesellschaftsrechtlich relevantes Handeln oder Unterlassen auch sozialversicherungsrechtlich erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen haben kann.

Plagemann Rechtsanwälte

 

Ansprechpartner:innen:

Martin Schafhausen, Dr. Jana Schäfer-Kuczynski, Prof. Dr. Hermann Plagemann

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