Probezeitkündigung in den ersten 4 Monaten bei auf nur 1 Jahr befristetem Arbeitsverhältnis? BAG: kein „Regelwert“ für Probezeitdauer (Urt. v. 30.10.2025)

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 30.10.2025 über die Wirksamkeit einer Arbeitgeber-Kündigung während einer Probezeit entschieden und die Klage der Arbeitnehmerin abweichend von den Vorinstanzen abgewiesen. (2 AZR 160/24).

Dabei geht es im Kern um § 15 Abs. 3 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz); diese Regelung beruht auf der EuropäischenArbeitsbedingungenrichtlinie“ (ABRL).

Im Arbeitsvertrag war die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf 1 Jahr vereinbart; die ersten 4 Monate sollten als Probezeit gelten, während der eine Kündigung mit einer Frist von 2 Wochen möglich sein sollte. Nach Ablauf der Probezeit sollte während der gesamten Vertragsdauer mit den gesetzlichen Fristen gekündigt werden können.

Der Arbeitgeber kündigte nach rund 3 ½ Monaten gegen Ende der Probezeit. Die Arbeitnehmerin erhob hiergegen Klage und stützte sich in erster Linie darauf, die vereinbarte Probezeit stehe nicht in angemessenem Verhältnis zur Dauer der Befristung. Daneben wollte sie auch Rechte aus dem Kündigungsschutzgesetz herleiten; dieses dürfe nicht erst nach 6 Monaten, sondern müsse entsprechend früher greifen.

- Das Arbeitsgericht Berlin hatte darauf die Probezeit für unwirksam angesehen: Bei einem Arbeitsvertrag von nur einem Jahr Dauer sei eine Probezeit von nicht mehr als 25 % der Gesamtvertragsdauer - also maximal 3 Monate – angemessen. Dem Vortrag der Klägerin zum Kündigungsschutzgesetz folgte es aber nicht.

- Auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg sah nur eine Dauer der Probezeit von 25 % im Verhältnis zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses als angemessen an, allerdings ausdrücklich nicht als „starre Quote“, sondern (nur) als „Regelfall“im „begründeten Einzelfall“ seien Abweichungen möglich. Solche Begründungen für die Überschreitung der 25 % habe das beklagte Unternehmen  im vorliegenden Fall allerdings nicht überzeugend dargelegt.

Wie das Arbeitsgericht sah das Landesarbeitsgericht zwar die Probezeit und damit auch die Probezeitkündigung als solche mit der Frist von 2 Wochen als unwirksam an, wertete die Kündigung aber im Rahmen der vereinbarten „generellen Kündigungsmöglichkeit des befristeten Arbeitsverhältnisses“ als zulässige ordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist von 4 Wochen zum 15. des Kalendermonats und gab so der Klage teilweise statt. Das Kündigungsschutzgesetz könne jedoch noch nicht angewendet werden.

Das BAG hat nun in seinem Urteil eine wie auch immer gestaltete 25-%-Regel abgelehnt. Es sei vielmehr  „in jedem Einzelfall stets eine Abwägung unter Berücksichtigung der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit“ erforderlich. Das ergibt sich aus der Pressemitteilung des BAG. Angesichts des vom beklagten Unternehmen aufgestellten 3-Phasen-Einarbeitungsplans von 16 Wochen sei die Probezeitdauer von 4 Monaten als verhältnismäßig anzusehen. Somit wies das BAG die Klage vollständig ab. Das Kündigungsschutzgesetz sei nicht anzuwenden.

Einzelheiten werden sich den später veröffentlichten vollständigen Entscheidungsgründen entnehmen lassen. Bereits jetzt lässt sich sagen:

Für befristete Arbeitsverträge mit Probezeit mag so im Streitfall eine hohe Einzelfallgerechtigkeit zu erzielen sein.  Was leidet, ist die Planbarkeit und Berechenbarkeit schon bei der Gestaltung von Verträgen, wie sie sich aus den Entscheidungen von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht ergeben würde. Es empfiehlt sich also bereits bei der Vertragsformulierung, sich der verschiedensten berücksichtigungsfähigen Parameter bewusst zu werden und diese entsprechend ausgewogen zur Geltung zu bringen - sicher nicht einfach.


Nähere Erläuterungen zum besseren Verständnis:

1. Der Schutz von Arbeitnehmer:innen gegen Kündigungen ergibt sich vor allem aus zwei Vorschriften: 

- Zum einen sind Kündigungsfristen zu beachten, die bei Probezeiten 2 Wochen betragen, ansonsten 4 Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Und mit längerer Dauer des Arbeitsverhältnisses werden die Kündigungsfristen ebenfalls länger (z. B. nach 10 Jahren 4 Monate zum Ende des Kalendermonats).

Im vorliegenden Fall sollte eine Probezeit des am 22.08.2022 begonnenen Arbeitsverhältnisses von 4 Monaten bis zum 21.12.2022 gelten. Vor Ende der Probezeit am 10.12.2022 sprach das Unternehmen die Kündigung mit einer Frist von gut 2 Wochen zum 28.12.2022 aus.

Sah man wie Arbeitsgericht und LAG die Probezeit als unwirksam an, konnte das Arbeitsverhältnis nicht zum 28.12.2022 enden, sondern erst nach einer Kündigungsfrist von 4 Wochen zum 15. des Monats, also mit dem 15.01.2023.

Wird – wie jetzt vom BAG – die Vereinbarung einer Probezeit mit kurzer Kündigungsfrist akzeptiert, bleibt es bei dem vom beklagten Unternehmen angenommenen Ende am 28.12.2022.

- Zum anderen müssen Arbeitgeber:innen ab einer gewissen Betriebsgröße und ab einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von 6 Monaten bestimmte Gründe für eine Kündigung benennen können. Dies ist im Kündigungsschutzgesetz geregelt.

Dies haben alle mit der Sache befassten Gerichte im vorliegenden Fall nur kurz abgehandelt. Sie ließen an der „Wartezeit“ von 6 Monaten bis zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes entgegen der Auffassung der Klägerin nicht rütteln.

Wären die Gerichte der Auffassung der Klägerin gefolgt, die Wartezeit sei zu verkürzen, hätte das Unternehmen gemäß dem Kündigungsschutzgesetz zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung im Einzelnen betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Gründe benennen können müssen.

2. Im Arbeitsrecht wird es grundsätzlich als Regelfall angesehen, dass Arbeitsverhältnisse auf unbestimmte Zeit geschlossen und dann bei Bedarf gekündigt werden.

Soll ein Arbeitsvertrag dagegen von vornherein befristet sein (bis zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes oder schlicht mit Ablauf einer bestimmten Zeitspanne), muss er bestimmte Voraussetzungen erfüllen und einhalten. Dies ist im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) geregelt.

- So gilt etwa die Grundanschauung, dass ein befristeter Vertrag während seiner ja schon festgelegten Laufzeit nicht auch noch (vorzeitig) durch Kündigung beendet werden kann. Das können die Parteien des Arbeitsverhältnisses in ihrem Vertrag allerdings ausdrücklich abweichend bestimmen. § 15 Abs. 4 TzBfG lautet:

„Ein befristetes Arbeitsverhältnis unterliegt nur dann der ordentlichen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist.“

Eine solche Vereinbarung enthielt der Vertrag im vorliegenden Fall. Sonst hätten Arbeitsgericht und LAG bei unwirksamer Probezeitkündigung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der einjährigen Vertragsdauer feststellen müssen.

- Außerdem sieht § 15 Abs. 3 TzBfG vor:

Wird für ein befristetes Arbeitsverhältnis eine Probezeit vereinbart, so muss diese im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen.

Um diese Regelung drehte sich der Rechtsstreit vor allem. Hier liegt auch ein Europarechts-Bezug: § 15 Abs. 3 TzBfG  wurde vom deutschen Gesetzgeber erst mit Wirkung vom 01.08.2022 eingeführt, um die „Arbeitsbedingungenrichtlinie“ (ABRL) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 umzusetzen: Richtlinie (EU) 2019/1152 (Art. 8 Abs. 2).

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG gingen in ihren Entscheidungen auf Erwägungen und Anträge im Entstehungsverfahren der Richtlinie ein.

Das LAG prüfte außerdem zur Frage der von der Klägerin postulierten Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes eine richtlinienkonforme Auslegung.

Ob und inwieweit das BAG auf europarechtliche Gesichtspunkte eingeht, lässt sich der Pressemitteilung noch nicht entnehmen.

3. Das LAG kam zur Unwirksamkeit der Probezeitvereinbarung nicht unmittelbar nach § 15 Abs. 3 TzBfG, sondern sah in den arbeitsvertraglichen Regelungen „Allgemeine Geschäftsbedingungen“: Werden Arbeitsverträge nicht im Einzelnen zwischen den Arbeitsvertragsparteien ausgehandelt, sondern einseitig vom Unternehmen vorgegeben, werden sie vom Recht besonders kritisch auf den Schutz von Arbeitnehmer:innenrechten hin geprüft. Die Unwirksamkeit ergab sich für das LAG dann aus § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 TzBfG.

4. Wie schwierig bei der Vertragsgestaltung und -auslegung die Bewertung der Verhältnismäßigkeit der Probezeitdauer zur Gesamtbefristungsdauer im Einzelfall sein wird, lässt sich daran ersehen, wie unterschiedlich LAG und BAG offenbar die Darlegungen des beklagten Unternehmens bewertet haben.

Dieses hatte ausgeführt, die vereinbarte Tätigkeit (Advisor im Customer Service) erfordere eine 16wöchige Ausbildungszeit: „drei Wochen theoretisches Training, vier Wochen praktisches Nesting-Training, neun Wochen Non-Tenure Phase“; erst dann habe die Stelleninhaberin voll produktiv tätig werden können. Außerdem habe während der Probezeit schon Urlaub genommen werden können und die Klägerin sei überdies auch an 28 Arbeitstagen krank gewesen, wodurch sich die Ausbildungszeiten verlängert hätten. Eine Probezeit von 4 Monaten sei daher zwingend erforderlich.

Das LAG verwies hierzu auf den von Beklagtenseite unwidersprochenen Vortrag der Klägerin, die Mitarbeiter blieben sich jedenfalls in der letztgenannten Phase schon weitgehend selbst überlassen. Es erschließe sich daher nicht, warum nicht eine adäquate Überprüfung innerhalb von nur 3 Monaten möglich sein solle.

Laut Pressemitteilung des BAG genügte diesem dagegen für die Verhältnismäßigkeit der 4monatigen Probezeitdauer der detaillierte 16wöchige Einarbeitungsplan mit 3 verschiedenen Phasen, nach denen erst volle produktive Einsetzbarkeit bestanden haben solle.

© Plagemann Rechtsanwälte


Ansprechpartner:innen:

Martin Schafhausen, Thomas Franz, Leah Weiss


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