Mutter-Kind-Kur: Kein Schadensersatzanspruch der Klinik gegen die Patientin bei Abbruch der Kur

(BGH, Urt. v. 08.10.2020, III ZR 80/20)

09.10.2020

Der BGH hat einer Kur-Klinik einen Schadensersatzanspruch gegenüber einer Patientin verwehrt, die eine Kur mit ihren vier Kindern zehn Tage vor dem regulären Ende abbrach. Die Gründe für die vorzeitige Beendigung waren zwischen der Patientin und der Klinik streitig.

Vor Beginn der Mutter-Kind-Kur, die von der gesetzlichen Krankenkasse bewilligt worden war, hatte die Klinik der Patientin ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) übersandt. Die Patientin hatte durch ihre Unterschrift bestätigt, diese erhalten zu haben und sie anzuerkennen. Die AGB sahen für den Fall der vorzeitigen Abreise von Patienten „ohne medizinisch nachgewiesen Notwendigkeit“ vor, dass die Klinik einen pauschalierten Schadensersatzanspruch in Höhe von 80 % des Tagessatzes für jeden vorzeitig abgereisten Tag geltend machen könnte, wobei Patienten unbenommen sein sollte, „den Nachweis zu führen, dass kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist“.

Die Klinik verklagte die vorzeitig mit ihren Kindern abgereiste Patientin auf Schadensersatz in Höhe von etwas über 3.000 €.

Sowohl das Amtsgericht Strausberg als auch das Landgericht Frankfurt (Oder) wiesen die Klage ab. Wie sich aus der Pressemitteilung des BGH vom 08.10.2020 ergibt, hat auch der BGH der Klinik nicht Recht gegeben, sondern deren Revision zurückgewiesen.

Es liegt hier eine Mischung aus Sozialrecht (Bewilligung und Kostenübernahme einer medizinischen Vorsorge für Mütter oder Väter nach § 24 SGB V) und aus Zivilrecht (Behandlungsvertrag nach § 630 a BGB) vor.

Der BGH beurteilte den geltend gemachten Schadensersatzanspruch deshalb kritisch, weil die Grundlage hierfür in den von der Klinik vorformulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt war. Solche einseitig von einer Vertragspartei für eine Vielzahl von Vertragsverhältnissen vorformulierten Vertragsbedingungen, auf deren Gestaltung die andere Vertragspartei keinen Einfluss nehmen kann, müssen gewisse Anforderungen erfüllen und dürfen als vertragliche Regelungen nicht von wesentlichen Grundgedanken gesetzlicher Regelungen abweichen.

Da die gesetzlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) für „Dienste höherer Art“, die „aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen“, eine jederzeitige Kündigung zulassen, wollte der BGH dies auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klinik verwirklicht wissen. Nach dem gesetzlichen Modell kann bei der vorzeitigen Kündigung solcher Dienste höherer Art der Dienstleister nur eine Vergütung bis zur Kündigung verlangen, aber nicht mehr für die Zeit danach.

Das Verhältnis zwischen der Klinik und der Patientin sei „jedenfalls nach seinem inhaltlichen Schwerpunkt als Behandlungsvertrag im Sinne des § 630 a BGB und damit als besonderes Dienstverhältnis zu qualifizieren“. Deshalb müsse ein jederzeitiges und sanktionsloses Kündigungsrecht der Patientin bestehen.

Da die Schadensersatzklausel mit den wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes nicht vereinbar sei, sei diese unwirksam, zumal sie nicht einmal eine von den Patienten zu vertretende Pflichtverletzung vorsehe.

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