Lebensversicherung: Klagemöglichkeit eines Versicherungsnehmers gegen einen ausländischen Versicherer am eigenen inländischen (Wohn-)Sitz auch für Unternehmen: BGH, Urteil vom 08.11.2017 – IV ZR 551/15 –

07.02.2018

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 08.11.2017 eine ganze Reihe von Fragen entschieden, die das seit 01.01.2008 geltende reformierte Versicherungsvertragsrecht betreffen.

Die Klägerin ist eine GmbH mit Sitz in Deutschland, die von der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen mit Sitz in Liechtenstein, Schadensersatz und Rückabwicklung eines Vertrags über eine Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung verlangte, für die eine Einmalprämie von 20.000 € gezahlt worden war. Der Vertragsschluss war im Jahr 2004 durch einen Versicherungsmakler vermittelt worden, der hierbei Informationsbroschüren verwendete, die nach Angaben der Klägerin falsche Angaben enthielten.

Die Klägerin machte am Landgericht Augsburg, dem für ihren Sitz zuständigen Gericht, die Forderungen geltend. Das Landgericht wies die auf die Prämienerstattung gerichtete Klage als unzulässig ab, weil es nicht zuständig sei. Dieses Urteil hob das Oberlandesgericht München auf.

Der BGH hatte über die Sache zu entscheiden.

Im Zentrum stand die Frage, ob die Klage gegen das Liechtensteiner Versicherungsunternehmen in Deutschland zulässig sei und ob sich dies aus § 215 VVG ergebe. Nach dieser Vorschrift sind für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung nicht nur die Gerichte am Sitz des jeweiligen Beklagten zuständig, sondern auch das Gericht, „in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“. Die Vorschrift gilt seit 01.01.2008.

Folgende wesentliche Aussagen lassen sich dem Urteil des BGH entnehmen:

§ 215 VVG als nationale Zuständigkeitsvorschrift wird nicht durch die Verordnung EG-Nr. 44/2001 oder durch das Luganer Übereinkommen vom 30.10.2007 verdrängt.

§ 215 VVG ist auch für Verträge anwendbar, die vor 2008 geschlossen wurden.

§ 215 VVG ist auch auf juristische Personen anwendbar, auch wenn auf den ersten Blick wegen des Hinweises auf den „Wohnsitz“ oder einen „gewöhnlichen Aufenthalt“ daran gedacht werden könnte, dass nur natürliche Personen gemeint seien (wie das auch von einigen Gerichten vertreten wurde).

§ 215 VVG gilt nicht nur für Klagen auf die Versicherungsleistung selbst, sondern erfasst auch Klagen, die auf Schadensersatz aus „Beratungsverschulden bei Anbahnung des Versicherungsvertrages“ (einschließlich eventueller Ansprüche aus „Prospekthaftung“) oder auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses nach Widerspruch gerichtet sind.

Damit hat der BGH die Stellung von Versicherungsnehmern gegenüber (auch ausländischen) Versicherern gestärkt.

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