28.07.2021

Hess. Finanzgericht: Ermäßigte Besteuerung einer Abfindung mit „Sprinterprämie“

Das Hessische Finanzgericht mit Sitz in Kassel hat ausweislich einer Pressemitteilung vom 27.07.2021 bereits im Mai diesen Jahres eine Entscheidung zur Besteuerung von sogenannten „Sprinterprämien“ getroffen (Az. 10 K 1597/20). Die Entscheidung berührt die Schnittstelle Arbeitsrecht/Steuerrecht.

1. Bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen – sei es durch einen Aufhebungsvertrag, sei es nach einer Kündigung – werden häufig Abfindungszahlungen vereinbart. Die Arbeitgeber*innen zahlen sie an die ausscheidenden Arbeitnehmer*innen, um so einen Anreiz zur Zustimmung zur Auflösung zu setzen und für den Verlust des Arbeitsplatzes und den damit einhergehenden Verdienstverlust zu entschädigen. Solche Abfindungen sind gegenüber Arbeitseinkommen steuerlich begünstigt.
Darüber hinaus enthalten solche Verträge oft auch die Möglichkeit zu einem (noch) früheren Datum vor Ablauf der eigentlichen Kündigungsfrist auszuscheiden und dafür eine erhöhte Abfindung zu erhalten. Solche Klauseln werden „Sprinterklauseln“ genannt. Die darauf basierenden Zahlungen werden daher „Sprinterprämien“ oder auch „Turboprämien“ genannt.

2. In dem vom Hessischen Finanzgericht entschiedenen Fall hatte eine Arbeitnehmerin gegen die Besteuerung ihrer Abfindungszahlung geklagt.
Die Klägerin hatte ihr Arbeitsverhältnis durch die Nutzung einer Sprinterklausel in ihrem Aufhebungsvertrag frühzeitig beendet und die vereinbarte Summe, bestehend aus Abfindung und „Sprinterprämie“, ausbezahlt bekommen. Anschließend wurde lediglich die Abfindungssumme an sich durch die Beklagte als ermäßigt zu besteuernde Abfindung behandelt, während der auf die „Sprinterprämie“ entfallende Teil der ausgezahlten Summe dem laufenden Arbeitslohn zugerechnet und daher voll besteuert wurde.
Gegen den Steuerbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass es sich auch bei der „Sprinterprämie“ um einen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes handeln würde. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Begründet wurde dies seitens der Beklagten mit der Auffassung, dass es sich bei der weiteren Zahlung um eine getrennt von der Grundabfindung zu betrachtenden Position handeln würde, welche gemäß §19 I EstG als laufender Arbeitslohn zu betrachten und versteuern sei.

3. Mit ihrer Klage verfolgte die Klägerin das Ziel, dass der gesamte Betrag aus Abfindung und „Sprinterprämie“ ermäßigt besteuert wird.
Das Hessische Finanzgericht hat der Klage stattgegeben und entschieden, dass der betreffende  Einkommensteuerbescheid rechtswidrig sei. Der aufgrund der Sprinterklausel gezahlte Betrag sei ebenfalls als ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkunft i.S.v. §§ 24 Nr. 1a, 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EstG anzusehen.

Von Bedeutung waren in der vorliegenden gerichtlichen Argumentation auch Entscheidungen anderer Gerichte zu „Sprinterklauseln“.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1a EstG eine Leistung, die als Ersatz für entgangene oder wegfallende Einnahmen gewährt wird. Um als außerordentliche Einkunft zu gelten, muss der Entfall der Einnahmen entweder von Dritter Stelle veranlasst sein oder, soweit er von der steuerpflichtigen Person selbst oder mit ihrer Zustimmung herbeigeführt worden ist, dadurch veranlasst sein dass diese unter einem rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck stand. Die steuerpflichtige Person darf das schadensstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben. (Vgl. BFH in BStBl II 2018, 709, Rz. 9)
Das Niedersächsische Finanzgericht sah in einer Entscheidung zu einer „Sprinterprämie“ diese Voraussetzungen nicht gegeben. Da es allein die Arbeitnehmer*innen seien, die entscheiden würden ob das Arbeitsverhältnis (noch) früher endet, indem sie von der Möglichkeit der „Sprinterklausel“ Gebrauch machen und damit die höhere Abfindung bekommen, sei darin ein neues schadenstiftendes Ereignis zu sehen. Die „Sprinterprämie“ finde ihren Ursprung nicht in einer gegenseitigen Vereinbarung (dem Aufhebungsvertrag), sondern allein in der anschließenden Entscheidung der Arbeitnehmer*in die Option der „Sprinterklausel“ zu wählen. Auf diese Entscheidung hatte sich die Beklagte in der vorliegenden Entscheidung berufen.
Dem schloss sich das Hessische Finanzgericht ausdrücklich nicht an und begründete dies damit, dass die „Sprinterklausel“ ausschließlich im Kontext des Aufhebungsvertrags zu sehen sei. Dabei verwies das Hessische Finanzgericht auch auf eine Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz. Dieses hat in einer Entscheidung die dortige „Sprinterklausel“ als „Teil des Gesamtpakets“ des Aufhebungsvertrages anerkannt, sodass die Besteuerung der Abfindungszahlung insgesamt zu ermäßigen sei. Dieser Argumentation folgend, begründete das Hessische Finanzgericht seine Entscheidung damit, dass die Arbeitnehmer*innen durch das Ausüben der „Sprinterklausel“ lediglich ihr in der Auflösungsvereinbarung eingeräumtes Recht ausübten, den Zeitpunkt des Ausscheidens vorzögen und darauf beruhend eine höhere Abfindung erhielten. Durch diesen Gesamtkontext sei der Umstand, dass diese Entscheidung einseitig von den Arbeitnehmer*innen ausginge, überlagert.

4. Im Übrigen hat sich auch das Bundesarbeitsgericht im Februar 2021 (Az. 5 AZR 314/20) mit einer „Sprinterklausel“ und der Frage nach der Anrechenbarkeit anderweitigen Verdienstes während einer Freistellung befasst.
Dies zeigt umso mehr, dass auch einvernehmliche Beendigungen von Arbeitsverhältnissen etwa durch Auflösungsverträge mit „Sprinterklauseln“ vielseitige rechtliche Fragestellungen aufwerfen können.

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