06.05.2022

BAG: Überstunden muss der Arbeitnehmer nachweisen

In einem Urteil vom 04.05.2022 (Az. 5 AZR 359/21) hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Frage beschäftigt, ob sich die bisherigen Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast in Prozessen um Überstunden-Vergütung durch eine berühmte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2019 geändert haben. Die Instanzen haben aus der Entscheidung unterschiedliche Schlüsse gezogen.

1.

Grundsätzlich vereinbaren Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen eine bestimmte Arbeitszeit, meist in Form einer Stundenzahl pro Woche. Nicht selten kommt es jedoch dazu, dass die vereinbarte Stundenzahl überschritten wird und die Arbeitnehmer*innen Überstunden leisten.

Kommt dann die Frage auf, ob und wie diese Mehrarbeit zu vergüten ist, entsteht nicht selten Streit zwischen den Parteien, weswegen es eine Vielzahl an gerichtlichen Entscheidungen aller Instanzen zu diesem Themenkreis gibt.

Nun hat das BAG klargestellt, wen im Rahmen einer Klage die sogenannte Darlegungs- und Beweislast trifft, dass und wie viele Überstunden geleistet wurden.

2.

Der Entscheidung liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Ein Auslieferungsfahrer forderte vor dem Arbeitsgericht Emden (ArbG) von seinem ehemaligen Arbeitgeber, einem Einzelhandelsunternehmen die Abgeltung geleisteter Überstunden. Die behaupteten Überstunden zu beweisen war dem Kläger vorliegend nicht hinreichend möglich, unter anderem, da die Arbeitszeiterfassung des Arbeitgebers nicht zwischen Arbeitszeit und Pausenzeit unterschieden hat, sondern allein Beginn und Ende eines Arbeitstages erfasste.

Das ArbG nahm in Hinblick auf das „Stechuhr-Urteil“ des EuGH an, dass der Arbeitgeber eine Pflicht zur konkreten Erfassung der Arbeitszeit habe. In diesem viel beachteten Urteil war entschieden worden, dass alle Mitgliedstaaten ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen haben. Politische Entscheidungen zur tatsächlichen Umsetzung wurden bislang in Deutschland nicht getroffen, sodass für viele Unternehmen Unklarheit besteht.

Da im vorliegenden Fall entsprechende Vorkehrungen seitens des Arbeitgebers nicht (ausreichend) getroffen wurden, nahm das ArbG eine Umkehr der Beweislast an. Nachdem nun der Arbeitgeber nicht ausreichend nachweisen konnte, dass keine Überstunden geleistet wurden, gab das Gericht der Klage statt.

Auf die Berufung des Arbeitgebers hin hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen dem ArbG widersprochen und dies damit begründet, dass eine solche Pflicht des Arbeitgebers sich nicht direkt aus dem „Stechuhr-Urteil“ des EuGH ableiten lasse. Vielmehr bleibe es bei der grundsätzlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast mit der Folge, dass der Kläger beweisfällig sei und die Klage abzuweisen sei.

3.

Das BAG hat diese Entscheidung nun bestätigt. Auch vor dem Hintergrund des „Stechuhr-Urteils“ könne vorliegend von den entwickelten Grundsätzen der Beweislastverteilung nicht abgerückt werden. Die Entscheidung sei schließlich hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung sowie des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmer*innen ergangen und könne daher nicht auf Vergütungsfragen bzw. die damit einhergehenden prozessuale Fragen angewandt werden.

4.

Durch das Urteil des BAG bleibt es (zunächst) bei dem Grundsatz, dass Arbeitnehmer*innen, die sich darauf berufen, Überstunden geleistet zu haben, diese im Falle eines Rechtsstreits darlegen und beweisen müssen. Die gerichtliche Geltendmachung bedeutet daher auch weiterhin eine hohe Hürde.

Dies könnte sich künftig jedoch ändern, da der Gesetzgeber durch das berühmte Urteil des EuGH verpflichtet wurde, ein rechtliches System zur Arbeitszeiterfassung zu schaffen. Je nach Ausgestaltung könnten sich daraus auch Änderungen für Prozesse um die Vergütung von Überstunden ergeben. Es bleibt daher abzuwarten, was sich in diesem Bereich künftig tut.

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